Pressemitteilung

Interview mit der neuen ENRW-Geschäftsführung


Energiekrise, Energiewende, Energiepreise, Transformation sind die Schlagworte der heutigen Zeit. Ist die ENRW den Herausforderungen gewachsen?

Kempf:

Trotz der turbulenten Zeiten ist es der ENRW im vergangenen Jahr gelungen, ein sehr positives Unternehmensergebnis zu erzielen. Aber die Transformation der Energiebranche ist in vollem Gange und hält noch einige Herausforderungen für uns bereit.

Hüneke:

Wir müssen im Zuge der Energie- und Wärmewende weiter massiv in die Prduktion erneuerbarer Energie und speziell in unsere Wärme- und Stromnetze investieren.

Aber angesichts unserer kompetenten Mitarbeiter und einem stabilen Umfeld an Partnern sowie Dienstleistern blicken wir optimistisch in die Zukunft.

Herr Hüneke, Herr Kempf, die ENRW kam bislang mit einem Geschäftsführer klar. Nun stehen mit Ihnen zwei Köpfe an der Spitze. Warum?

Kempf:

Die Energiebranche steht wie von Ihnen schon angesprochen vor gewaltigen Herausforderungen. Die Aufteilung der Führungsaufgaben macht das Unternehmen schlagkräftiger. Viele Stadtwerke arbeiten mittlerweile mit einer Doppelspitze. Sowohl die kaufmännischen wie auch die technischen Aufgaben sind mittlerweile einfach zu umfassend für eine Person.

Hüneke:

Die ENRW hatte bis 2011 durchgängig eine Doppelspitze, was wirklich Sinn macht. In den vergangenen Jahren habe ich bereits als Prokurist die technischen Abteilungen geleitet.

Stichworte: Stromproduzenten (Windenergie, Solarparks), Elektromobilität, Wärmepumpen? Wie ist es um das ENRW-Stromnetz derzeit bestellt und was muss die ENRW leisten, um das Stromnetz fit für die Zukunft zu machen.

Hüneke:

Die ENRW hat bereits 2012 mit dem Neubau des Umspannwerks in Zimmern und der Verlegung einer 110-Kilovolt-Leitung den Grundstein für die Aufnahme der regenerativen Erzeugung gelegt. Parallel wurden auch die Niederspannungsnetze auf die zukünftigen Anforderungen vorbereitet. Bei jeder Erschließungsmaßnahme und jeder Straßenerneuerung waren wir da schon tätig.

Dieser Netzausbau wird sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen, um möglichst viele Erzeugungs- und Ladeanlagen zuverlässig ins Stromnetz einzubinden. In Summe betrachtet steht in den kommenden zehn Jahren ein massiver Ausbau der Mittelspannungsnetze (20 Kilovolt) und der Ortsnetze an.

Kempf:

Während der Strombezug in den vergangenen Jahren nahezu konstant blieb, wächst die Einspeisung von aus erneuerbaren Quellen produziertem Strom um ein Vielfaches. Deshalb kommen wir nicht umhin, die Netze entsprechend fit zu machen. Das kostet Geld und lässt die Zahl an Baustellen nach oben schnellen.

Die Stadt Tübingen kauft in ganz Deutschland grünen Strom. Auch vor der Rottweiler Haustür, etwa auf der Gemarkung Deißlingen. Setzt sich die ENRW Rottweil ebenso regional und überregional für den Aufkauf von grünem Strom ein?

Hüneke:

Wir investieren ebenfalls in grünen Strom. Wir sind bei den geplanten großen PV-Parks „Frankenreute“ sowie „Wildensteiner Höfe“ dabei, um nur zwei Beispiele aus Rottweil und dem Umland zu nennen.

Kempf:

In Sachen Wind sind wir beispielsweise seit 2011 neben 18 weiteren Stadtwerken an dem Offshore-Windpark Baltic 1 in der Ostsee mit einem Anteil von 500 Kilowatt beteiligt. Insgesamt produziert der gesamte Windpark mit 21 Windkraftanlagen etwa 185 Millionen Kilowattstunden klimafreundlichen Strom für rund 50.000 Haushalte.

Die Wärmeversorgung in Rottweil ist derzeit Thema einer Onlineumfrage der ENRW. Gibt es schon Ergebnisse?

Kempf:

Zunächst werden die Ergebnisse der Stadtverwaltung und dem Gemeinderat vorgestellt. Bislang haben wir erfreulicherweise bereits mehrere hundert Rückmeldungen aus Bevölkerung und Industrie in Rottweil erhalten. Die Kommunale Wärmeplanung sieht vor, dass mindestens fünf Fokusprojekte definiert werden, an denen dann aktiv weitergearbeitet wird.

Hüneke:

Rottweil verfügt bereits seit vielen Jahren über zwei große Wärmenetze und zahlreiche kleine Inselnetze. Im Zuge der kommunalen Wärmeplanung werden nun die Ausbauszenarien ermittelt. Bei den bestehenden Erzeugungsanlagen müssen laut Gesetz fossile Brennstoffe durch erneuerbare Energiequellen ersetzt werden.

Sollte Rottweil Fernwärmenetze ausbauen, wie lange würde es dauern und wäre ein Anschluss dann für alle Bürger zwingend?

Hüneke:

Ein kompletter Ausbau des Fernwärmenetzes wäre sehr zeit- und kostenintensiv. Es würde auch nicht für alle Siedlungsstrukturen Sinn machen. Die ENRW hat bislang ihre Kunden durch überzeugende Angebote gewonnen. Einen Anschlusszwang sehen wir nicht als zielführend an.

Kempf:

Aufgrund der ländlichen Struktur ist eine Wärmenetzabdeckung von maximal 30 bis 50 Prozent für Rottweil realistisch. Wärmenetze kommen insbesondere in verdichteten Regionen zum Einsatz, weniger in losen Einfamilienhaussiedlungen.

Was geschieht mit den Gasnetzen, wenn immer weniger Haushalte Gas verbrauchen?

Kempf:

Grundsätzlich sind die Gasnetze als Option für die Beimengung oder Substitution mit regenerativem Wasserstoff zu betrachten. Private Kunden können aber nach aktueller Gesetzeslage bis mindestens 2045 Ihre Erdgasheizung betreiben und wir von der ENRW sind aufgrund bestehender Gesetze auch versorgungspflichtig.

Hüneke:

Die Politik setzt große Hoffnung auf die bestehenden Gasnetze. Der Transport grüner Gase, wie Wasserstoff ist einer der großen Hoffnungsträger in der Transformation unserer Energieversorgung.

Werden in den derzeitigen oder zukünftigen Neubaugebieten noch Gasanschlüsse gelegt?

Hüneke:

In reinen Wohngebieten haben wir tatsächlich keinen Ausbau mehr vorgesehen. Erdgas ist aktuell der überwiegend eingesetzte Brennstoff für Heizkraftwerke mit Kraftwärmekopplung. Darüber hinaus sind vor allem gewerbliche und industrielle Kunden auf Erdgas angewiesen.

Kempf:

Bereits in den vergangenen Jahren sank die Nachfrage nach Gasanschlüssen in Neubaugebieten deutlich. Hier ist die Wärmepumpe auf dem Vormarsch, nicht erst seit dem neuen Gebäudeenergiegesetz.

Wird die ENRW Wasserstoffprojekte fördern? Und wenn ja, welche?

Hüneke:

Wir von der ENRW beobachten die Entwicklung sehr genau und können uns vorstellen, für einzelne Wärmeerzeugungsanlagen klimaneutralen Wasserstoff einzusetzen. Die Nutzbarkeit der Gasinfrastruktur für den Transport von Wasserstoff wird von den Fachverbänden mit aller Vorsicht versehen als grundsätzlich positiv eingeschätzt. Wasserstoff ist generell ein optimales Speichermedium für Energie. Die entscheidende Frage wird sein, welche Menge in den kommenden Jahren zur Verfügung steht.

Kempf:

An dieser Stelle sollten wir aber nicht zu viel Hoffnung auf Förderung machen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden Land und Bund den Stadtwerken Wasserstoffprojekte im Rahmen der Wärmeversorgung fördern. Dass wir selbst Förderungen ausbezahlen, ist dagegen nicht sehr realistisch. Allenfalls treten wir im Rahmen von staatlichen Förderprogrammen als Vermittler auf.

Wie finanziert die ENRW die Energiewende?

Kempf:

Unsere Versorgungsnetze werden aus Eigen- und Fremdmitteln anteilig finanziert. Jeder Kunde beteiligt sich durch die Netzentgelte an diesen Kosten. Die Finanzierung der Energiewende wird von Land und Bund mitgedacht. Zum einen wird die Finanzierung über bestehende Instrumente wie Netzentgelte und Energiesteuern funktionieren, zum anderen wird es staatliche Förderprogramme geben, an denen sich die ENRW beteiligen kann.

Im Frühjahr wurde mit den Erschließungsarbeiten zum neuen ENRW-Gebäude in Neufra begonnen. Ist der Standort besser als zuvor?

Hüneke:

Definitiv! Mit dem Umzug nach Neufra machen wir Platz für die Landesgartenschau 2028 im Rottweiler Neckartal. Durch die Zusammenführung von bisher unterschiedlichen Unternehmensstandorten können die betrieblichen Abläufe künftig deutlich effizienter und wirtschaftlicher gestaltet werden. Auch unsere Erreich- und Sichtbarkeit wird sich in Neufra um ein Vielfaches verbessern.

Wir sind endlich in der Lage, unsere Kräfte zu bündeln und das in einem energetisch und bautechnisch nachhaltigem Gebäudekomplex. An bisherigen Standorten bleiben nur die Bäder sowie der Eigenbetrieb Stadtentwässerung. Neufra liegt strategisch sehr günstig in der Mitte unseres Netzgebiets rund um Rottweil und Spaichingen. Nicht zuletzt erhalten unsere Mitarbeiter attraktive Arbeitsplätze, was sich hoffentlich auch beim Thema „Recruiting“ auswirkt.

Wie viele Mitarbeiter hat die ENRW derzeit und spürt die ENRW den Fachkräftemangel?

Kempf:

Die ENRW beschäftigt derzeit und rund 250 Mitarbeiter. Auch wir spüren den Fachkräftemangel, allerdings speziell in bestimmten technischen Bereichen. So suchen wir beispielsweise dringend qualifizierte Planer für unsere Strom- und Wärmenetze.

Plant die ENRW ihr Netzgebiet auszuweiten?

Hüneke:

Zunächst einmal sind wir sehr froh, dass wir in den vergangenen Jahren unsere langjährigen Konzessionen auch mittelfristig sichern konnten. Ausweitungen schließen wir nicht aus. Auch neue Geschäftsfelder sind für uns interessant, beispielsweise der Betrieb von Wärmenetzen außerhalb Rottweils.

Zuletzt noch Fragen zur Wasserversorgung. Woher bezieht die ENRW ihr Trinkwasser und ist die Trinkwasserversorgung mit Blick auf den Klimawandel für die Zukunft gesichert?

Kempf:

Die ENRW bezieht Ihr Trinkwasser hälftig von der Bodenseewasserversorgung (BWV) und aus eigenen Quellen. Die Bezugsrechte bei der BWV und unsere Quellschüttungen reichen aus, um selbst bei Ausfall einer der beiden Ressourcen die Bevölkerung Rottweils sicher zu versorgen. Im Vergleich zu anderen Regionen machen wir uns noch keine Sorgen um die zukünftige Wasserversorgung.

War es richtig, den Wasserturm zu verkaufen?

Hüneke:

Ja, aufgrund der bis 2015 erfolgten Umsetzung des neuen Wasserversorgungskonzeptes haben wir den Wasserturm für die Trinkwasserversorgung nicht mehr benötigt. Aufwendigere Technik sowie hohe Energiekosten machten den Betrieb des 1974 fertiggestellten Bauwerks nicht mehr wirtschaftlich. Seit acht Jahren übernimmt eine Druckregelanlage im Hochbehälter Zimmern die einstigen Aufgaben des Rottweiler Wasserturms.

Die Fragen stellte Anja Schmidt, Schwarzwälder Bote vom 25./27.11.2023.