Pressemitteilung

Kleinstlebewesen reinigen Abwasser


Eine funktionierende Abwasser-Entsorgung ist gelebte Daseinsvorsorge: In der ältesten Stadt Baden-Württembergs ist die vom ENRW Eigenbetrieb Stadtentwässerung betriebene Kläranlage „In der Au“ für diese wichtige Aufgabe zuständig. Abseits des öffentlichen Bewusstseins verrichtet sie Tag für Tag ihre ungemein wichtige Arbeit. Genau vor hundert Jahren – 1917 – wurde in Rottweil die erste Kläranlage errichtet. Aus Anlass des Jubiläums wird die Geschichte der örtlichen Abwasserentsorgung in einer kleinen Serie vorgestellt. Der vierte und letzte Teil beschäftigt sich mit der Zeitspanne von 1917 bis heute. 
      
Nachdem Wissenschaftler Ende des 19. Jahrhunderts erkannt hatten, dass für viele Krankheiten Mikroorganismen im durch Fäkalien verschmutzten Trinkwasser verantwortlich waren, entstanden nach und nach in vielen Städten und Dörfern Kläranlagen. In Rottweil war dies 1917 der Fall. Das Wasser des Neckars war mittlerweile so stark verunreinigt, dass die Pulverfabrik als größte Industrieanlage der Stadt nicht mehr damit arbeiten konnte. Aus diesem Grund und auch um den Bürgern endlich eine hygienische Ableitung ihrer Abwässer zu ermöglichen, wurde eine Kläranlage in der Au erstellt, die zunächst für 8.000 Einwohner ausgelegt war. 

Die erste Rottweiler Kläranlage verfügte über einen sogenannten zweistöckigen „Emscherbrunnen“, in dem die Sinkstoffe des Abwassers aus dem oben liegenden Absetzbecken in den darunter liegenden Faulraum wandern, wo das Ausfaulen des abgesetzten Schlammes stattfindet. Für damalige Verhältnisse hatte die Anlage zwar einen überdurchschnittlichen Reinigungseffekt, die sogenannte „mechanische“ Reinigung des Abwassers bedeutete jedoch nichts anderes, als dass lediglich alle groben Bestandteile ausgesondert wurden. Dies störte die Rottweiler nicht sonderlich, im Gegenteil: unterhalb des Kläranlagenablaufs im Neckar befand sich ein beliebter Schwimmplatz, wo die Bürger über Jahrzehnte hinweg im lediglich mechanisch gereinigten Abwasser badeten.

Die Entwicklung der Bevölkerungszahl – 1961 lebten in Rottweil bereits knapp 18.000 Menschen – und der Industrie machten den Bau einer neuen, leistungsstärkeren Kläranlage unumgänglich. Drei Jahre später – 1964 – ging die neue Kläranlage in Betrieb, welche nun auch über eine biologische Reinigungsstufe verfügte. Der Kostenaufwand betrug rund 2,3 Millionen DM. Im Rahmen der biologischen Reinigungsstufe findet der Abbau organischer Schmutzstoffe statt. Das vorgeklärte Abwasser wird hier mit belebtem Schlamm vermischt, in dem sich Unmengen von Mikroorganismen wie beispielsweise Bakterien und tierische Einzeller befinden. Diese „fressen“ viele der Schmutzteilchen im Wasser auf. Durch die Einrichtung verschiedener Zonen entstehen unterschiedliche Bakterienstämme, die jeweils für ganz spezielle Reinigungsschritte des Abwassers eingesetzt werden.

Bereits Anfang der 1970er Jahre wurde klar, dass auch diese Kläranlage die anfallenden Abwassermengen nicht mehr verarbeiten konnte. Lediglich 40 Prozent des Abwassers passierte die biologische Reinigung. Umfangreiche Erweiterungen wurden geplant, ab 1975 realisiert und 1978 abgeschlossen. Gesetzliche Vorgaben und neue chemische Reinigungsmethoden sorgten dafür, dass seit Anfang der 1990er Jahre bis heute wiederum zahlreiche Umbauten, Erneuerungen und Erweiterungen vorgenommen wurden. Seit 1998 betreibt der ENRW Eigenbetrieb Stadtentwässerung, ein kommunales Tochterunternehmen der Stadt Rottweil, die Kläranlage.

„Mit der Entsorgung von Abwasser aus häuslichem, gewerblichem und industriellem Gebrauch werden Krankheiten und Seuchen vermieden und die Umwelt geschützt“, erklärt Christoph Ranzinger, Werkleiter des ENRW Eigenbetriebs Stadtentwässerung, „ohne kommunale und industrielle Abwasserentsorgung könnte unser Trinkwasser nicht konstant in bester Qualität zur Verfügung stehen.“ Abwasser werde in Deutschland fast flächendeckend mit dem höchsten EU-Reinigungsstandard behandelt. „Darüber hinaus sind wir sogar in der Lage, Wertstoffe, Wärme und Energie aus dem Abwasser zu recyceln und zu gewinnen.“ Durch optimales Energiemanagement und entsprechende Verfahren bei der Klärschlammbehandlung wird die Rottweiler Kläranlage zum Energielieferanten und produziert heute schon 100 Prozent der benötigten Wärme und in naher Zukunft sogar mehr als 100 Prozent des eigenen Strombedarfs.

Luftaufnahme Kläranlage RW 2016 klein

So präsentierte sich die Rottweiler Kläranlage im April 2016 aus der Luft.