Pressemitteilung

30 Jahre aquasol


Das Rottweiler Sole- und Freizeitbad aquasol feiert 2016 seinen 30. Geburtstag. Aus diesem Anlass wirft Stadtarchivar Gerald P. Mager zum Auftakt des Jubiläumsjahres einen Blick in die Geschichte der Badekultur in Rottweil.

Vom Hallenbad zum aquasol

Am 28. November 1986, einem Freitag, war es soweit: Mit einer Eröffnungsparty mit 600 „badebekleideten“ Festgästen wird das aquasol an die schwimm- und badebegeisterte Öffentlichkeit übergeben. Eine lateinamerikanische Show-Truppe sollte ein „Tanzfeuerwerk abbrennen“ und ein Entfesselungskünstler aus Frankreich hatte sich zur Eröffnungsfeier eigens eine „Wassernummer“ ausgedacht. Oberbürgermeister Dr. Arnold und Stadtwerke-Chef Siegfried Rettich prosteten sich auf dem Einmeter-Sprungbrett zu, um sich dann mit einem beherzten Sprung ins jungfräuliche Nass zu stürzen.

Damit war das aquasol eingeweiht. Künftig konnte man als Erwachsener für 5 DM alle Einrichtungen des Sole- und Schwimmbades mit Sauna in Anspruch nehmen. Und man bekam etwas für sein Geld. Nach knapp zweijähriger Bauzeit war aus dem biederen und nicht mehr ganz zeitgemäßen Hallenbad ein modernes Erlebnis- und Wellness-Bad geworden.

Dabei galt die um ziemlich genau 20 Jahre ältere Vorgängereinrichtung den Freunden des nassen Elements seinerzeit ebenfalls als der Gipfel des Schwimm- und Badespaßes. Das Hallenbad war im Mai 1966 seiner Bestimmung übergeben worden. Mit Baukosten von über fünf Millionen DM war es das bis dahin größte Bauvorhaben der Stadt Rottweil. Ein Hallenbad-Förderverein hatte dazu gut 180 000 DM beigesteuert.

Die Begeisterung anfangs war groß, ließ dann aber offenbar bald nach: Bis 1970 stiegen die Besucherzahlen an, um dann in den folgenden Jahren aber kontinuierlich und teils drastisch zurückzugehen und zuletzt einzubrechen. Das Hallenbad - nach heutigen Ansprüchen spartanisch – war als reines Sportbad konzipiert, das schon bald die relevanten Zielgruppen mit seinem Angebot nicht mehr erreichte. Lediglich die Rottweiler Sportvereine hielten dem Schwimmbad weiterhin die Treue. Der allgemeine Trend hatte sich vom sportlichen „Schwimmen“ zu „Badespaß“ und „Wellness“ hin entwickelt.

Dieser Entwicklung konnten sich auch die Verantwortlichen in Rottweil nicht verschließen. Mit der Unterstützung eines rührigen Fördervereins ging man daher Mitte der Achtzigerjahre daran, das spröde Schwimmbad in ein Sole- und Erlebnisbad umzuwandeln. Der Schwimmbereich wurde durch ein Spaßbecken und ein 50-Meter-Rutsche ergänzt. Und vor allem fand jetzt die Rottweiler Sole zu Badezwecken wieder Verwendung. Der Badegast konnten nun hier aber auch einfach seine Freizeit verbringen oder etwas für seine Gesundheit tun; beispielsweise durch die Teilnahme an physiotherapeutischen Übungen im Solebereich des neuen Bades. Ein wichtiger Teil war und ist der Saunabereich, der nun mit Tauchbecken, Fußwärmebecken, Schwallduschen, Solarien und Ruheräumen ausgestattet ist. Sogar in „Irisch-Römischen Dampfbädern“ kann man sich nun entspannen.

2000-jährige Badetradition

Die Verantwortlichen knüpften damit – wohl eher unabsichtlich – an eine örtliche Bade-Tradition an, die ebenso alt ist, wie die älteste Stadt Baden-Württembergs selbst. Denn schon die Bewohner von Arae Flaviae, dem römischen Rottweil, wollten vor 2000 Jahren auf das Bade- und Entspannungs-Erlebnis in den Thermen keinesfalls verzichten.

In Rottweil sind immerhin drei römische Badeanlagen archäologisch nachgewiesen. Von zweien sind heute noch sichtbare Überreste erhalten: Die römische Therme auf dem Nikolausfeld ist seit den Sechzigerjahren in ihren Grundmauern als Freilichtmuseum zu besichtigen. Eine weitere Badeanlage ist in Teilen in Rottweil-Altstadt „unter Tage“ erhalten. Die eindrucksvollen Pfeiler der Warmluft-Fußbodenheizung können unter der Pelagiuskirche. In Augenschein genommen werden.

Die Therme diente den Römern nicht nur zur Köperhygiene, sondern auch zur Entspannung und zum sozialen Austausch. Das Bad bildete den gesellschaftlichen Mittelpunkt einer Gemeinde oder Garnison. Schon die zahlreichen römischen Legionäre in den Rottweiler Kastellen konnten ihrem eher tristen Alltag mit einem Besuch der Therme etwas Farbe verleihen. Besonders in der kalten Jahreszeit muss am klimatisch weniger begünstigten oberen Neckar ein beheiztes Bad in Reichweite ganz wesentlich zur Lebensqualität beigetragen haben.

Die Thermen waren üblicherweise mit Kaltbad, Warmbad, angenehm temperiertem Aufenthaltsraum und einem Schwitzbad, einer „Sauna“ ausgestattet. Man konnte verschiedene Dienstleistungen in Anspruch nehmen, wie Massagen oder Körperpflege. Auch Mediziner praktizierten in den Thermen. Auf dem Rottweiler Nikolausfeld bot nachweislich ein Augenarzt seine Dienste an. Für Frauen gab es auch kosmetische Behandlungen. Neben einem Rezeptstempel des Arztes fanden die Archäologen Schminktiegelchen, Kämme, Haarnadeln Spiegel und andere Gegenstände, die einen plastischen Eindruck vom Badebetrieb einer römischen Therme vermitteln. Man badete übrigens nach Geschlechtern getrennt, obgleich der eigentliche Badevorgang gelegentlich fast zur Nebensache geriet. Und „schwimmen“ konnte und wollte man im Römerbad sowieso nicht.

Badestuben in der Reichsstadt

Mit dem Abzug der Römer im 3. Jahrhundert war auch der Niedergang der Badekultur verbunden. Die nachfolgenden Alamannen und Franken betrieben ihre Körperpflege in Seen und Flüssen, oder auch im Holzbottich am heimischen Herd. Erst das späte Mittelalter entwickelte auch hierzulande wieder eine öffentliche Badekultur. Dabei hatte das jüdische Ritualbad, das, wohl im späteren Lorenzort, für die mittelalterliche Judengemeinde aus kultischen Gründen vorhanden war, sicher eine Sonderstellung.

Jedes Bad, gleich welcher Art, ist aber naturgemäß auf die Versorgung mit Wasser angewiesen. Dieses war im Rottweiler Stadtkern reichlich vorhanden. Denn den Untergrund der Stadt durchzogen ergiebige Quellhorizonte, die sich von Westen nach Osten in das Neckartal und den Fluss ergossen.

In Rottweil gab es spätestens im 14. Jahrhundert, eine ganze Reihe von Badestuben. Das Rumpferbad an der Stadtmauer beim heutigen Gefängnis, das Spitalbad gegenüber dem Chor der Kapellenkirche, oder auch das Grabenbad, das den späteren „Volksfreund-Buckel“ zum Stadtgraben hin abschloss, konnten von den Rottweilern zur Körperpflege und zum gesellschaftlichen Austausch besucht werden.

Die wichtigste Badeanstalt war das Johanniterbad in der südöstlichen Ecke der Stadt. Es gehörte ursprünglich zur Rottweiler Komturei des Ritterordens und diente den Johannitern zunächst vor allem zur Pflege von Kranken und Pilgern. Später kam es in die Hand der Stadt, die es an einen Bader verpachtete.

Die Bader und Barbiere als Betreiber der Badeanstalten verkörperten die gesundheitsfördernde und medizinische Seite des Badewesens auch im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit. Die Barbiere praktizierten im Bad gewöhnlich auch als Wundärzte und Chirurgen. So war es dem Johanniterbader 1639 ausdrücklich erlaubt, in seiner Badstube nicht nur zu „balbieren“, sondern auch zu schröpfen und andere medizinische Behandlungen vorzunehmen. Auch das 1383 erstmals erwähnte Spitalbad diente neben der Körperhygiene sicher vornehmlich der Krankenpflege.

Der im weitesten Sinne „gesellige“ Aspekt des Badewesens erweckte den Argwohn der städtischen Autoritäten, wenn sich Badegast und Bademägde gelegentlich näher kamen, als eigentlich vorgesehen. Besonders in den abgelegenen Bädern war diese Versuchung vorhanden.

Eine Badestube in der Altstadt wird für das Jahr 1314 erwähnt, gehörte aber ursprünglich wohl schon zum Rottweiler Königshof. Auch die Geschichte des Bettlinsbads zwischen Bühlingen und Hausen geht in das Spätmittelalter zurück. Das Jungbrunnen-Bad im Tal unterhalb von Feckenhausen hatte seine Blüte im 16. Jahrhundert. Seinem Wasser wurde nicht nur verjüngende Wirkung zugeschrieben, sondern auch ein positiver Einfluss auf allerlei Leiden und Gebrechen. So ist es nicht verwunderlich, dass am Heilbad im Jungbrunnental gewöhnlich auch ein Arzt praktizierte. Der Jungbrunnen war berühmt. Bis ins 19. Jahrhundert suchten Patienten von nah und fern mit Gicht, Rheuma und Lähmungen Hilfe und Linderung in diesem Bad, obgleich die Saison dort alljährlich mit Musik und Tanz eröffnet wurde. Selbstverständlich konnte man im Bad auch reichlich Essen und Trinken. Trotzdem musste der Jungbrunnen um die Mitte des 19. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen seine Pforten schließen. Auch die zuletzt angebotenen Solbäder vermochten den Badebetrieb nicht zu retten.

Im Rottweiler Stadtkern war das Johanniterbad das einzige der öffentlichen Bäder, das ununterbrochen vom Spätmittelalter bis ins 20.Jahrhundert in Betrieb war. Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts wird der Johanniterbader auch als „Badwirth“ bezeichnet, da dem Bad nun ein Wirtshaus angeschlossen war. Anfang des 19. Jahrhunderts bekam das Johanniterbad Gesellschaft, als die neuentstehende Judengemeinde unmittelbar daneben am unteren Ende der Johannsergasse ein Ritualbad einrichtete, das aber bald wieder aufgegeben wurde. Im Gegensatz dazu hat das Johanniterbad in Gestalt eines Hotel- und Gaststättenbetriebs zumindest namentlich bis heute die Zeiten überdauert hat. Die anderen Rottweiler Bäder in der Innenstadt hatten ihren Betrieb bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts bereits eingestellt. Der Dreißigjährige Krieg, der zu diesem Zeitpunkt Rottweil längst erreicht hatte, förderte nicht nur die Verbreitung ansteckender Krankheiten, sondern führte zu einem allgemeinen Niedergang von Wohlstand und (Bade-) Kultur. Die aufgegebenen Bäder erhielten Umnutzungen, die an ihre frühere Funktion aber anknüpften. Im Spital- und im Grabenbad wurden unter Nutzung der Feuergerechtigkeit auf diesen Häusern Hafnerwerkstätten eingerichtet. Das Rumpferbad an der nördlichen Stadtmauer wurde in eine Gerberei umgewandelt, die das nun nicht mehr benötigte Badewasser zum Waschen von Tierhäuten verwendete.

Die Rottweiler Solebäder

Am Ende der Reichsstadtzeit 1802/03 lag das Rottweiler Badewesen also weitgehend darnieder. Dieser Zustand änderte sich, nachdem man 1824 bei Rottenmünster natürliche Salzvorkommen entdeckt hatte, was die Errichtung der Saline Wilhelmshall zur Folge hatte. Als Nebenprodukt konnte das gelöste Salz auch als therapeutisches Badewasser verwendet werden. Schon früh hatte der Rottweiler Stadtarzt Dr. Zipfehli die Heilwirkung der Sole auf den menschlichen Organismus erkannt. In der Folge wurden mehrere Solebäder in Rottweil eingerichtet. Das Johanniterbad nannte sich jetzt „Solbad am Zwinger“.

An der Tuttlingerstraße eröffnete als „Mineral- und Solbad“ mit neun Fremdenzimmern und 12 Badekabinen das „Olgabad“. Und 1893 war von Heinrich Eller das „Obere Solbad“ in der Oberamteigasse eingerichtet worden. Im Erdgeschoss befand sich eine Weinwirtschaft, im Untergeschoss waren die Badezellen eingerichtet. Neben normalen Wannenbädern und Solebädern wurden auch Kräuter-, Fichtennadel- oder Schwefelbäder zu therapeutischen Zwecken angeboten. Bei „Ischias und Lähmungserscheinungen“ konnte man sich sogar ein „elektrisches Lichtbad“ gönnen. Um die Jahrhundertwende war Rottweil bestrebt, „Höhenluftkurort“ und Bade-Stadt werden; „Bad Rottweil“, sozusagen. Dieses Prädikat konnten aber bekanntlich nicht erreicht werden.

Die Neckar-Freibäder

Etwa gleichzeitig mit den Solebädern war auch eine vollkommen anders motivierte Art des Badens in Mode gekommen – das Schwimmen im Freien, in den natürlichen Gewässern. Im Rottweiler Neckar wurde schon um 1820 gebadet, wie damalige Sittenwächter beklagten. Trotzdem wird 1841 von Sportpädagogen am Gymnasium eine „Schwimm- und Badeanstalt“ öffentlich eingefordert. 1847 wies die Stadt schließlich einen besonderen Badeplatz bei Bruderschaftsmühle aus. Und 1856 richtete auch der Spitalmüller auf seinem Gelände ein Freibad ein. Die Stauwehre der Mühlen sorgten für einen ausreichend hohen Wasserstand.

Vor 1890 wird der Badeplatz an die Bleichhalde oberhalb der König-Karls-Brücke verlegt, wo auch „Badehäuschen“ zur Verfügung standen. Zugelassen sind nur Männer und männliche Jugendliche, die schwimmen können. Eine Badeordnung regelte schon 1889 den Badebetrieb. Die Frauen und Mädchen erhielten dann ein Freibad auf der anderen Seite der Brücke, Neckar abwärts. Die Badehäuschen zum Umkleiden standen auf Pfählen im Wasser. Die badelustigen Damen konnten von da direkt ins Wasser steigen, ohne sich unnötig den Blicken der anderen Badegäste auszusetzen.

Männer- und Frauenbad waren mit Stacheldraht voneinander getrennt, bis man 1934 ein Familienbad unterhalb des Elektrizitätswerks, der ehemaligen Vögelinsmühle, einrichtete. Für Erwachsene kostete der Badespaß 20, für Kinder 5 Pfennig.

Das neue Freibad

Die Wasserqualität ließ jedoch bald zu wünschen übrig. Im Sommer 1959 musste das Neckarfreibad von der Stadt aus gesundheitlichen Gründen geschlossen werden. Man wollte in Rottweil jedoch deshalb nicht auf das Badevergnügen und den Schwimmsport verzichten. Schon wenige Tage nach der Schließung gründete sich in der „Liederhalle“ der bereits erwähnte Hallenbad-Förderverein. Denn aufgrund des durchwachsenen Klimas in unseren Breiten meinte man, ein Hallenbad einem künstlichen Freibad vorziehen zu müssen. Dennoch wünschten wohl manche sich an heißen Sommertagen das alte Neckarfreibad zurück. Seit dessen Schließung suchten badelustige Rottweiler, vor allem Jugendliche, im Sommer bevorzugt das Freibad in der Nachbarstadt Oberndorf auf. Dort war man wohl gelitten, aber auf die Dauer war das natürlich kein Zustand. Rottweil brauchte wieder ein Freibad. Auch hier leistete ein Förderverein, der sich 1973 gründete, wieder Pionier- und Überzeugungsarbeit. Auch einen ansehnlichen finanziellen Beitrag konnte der Verein für den Bau eines Freibades in Aussicht stellen. Das überzeugte auch die Stadt-Oberen. Baubeginn war im März 1978. Und schon nach gut einjähriger Bauzeit, am 20. Juli 1979, konnte das acht Millionen DM teure Freibad in Anwesenheit von 4000 Badebegeisterten eingeweiht werden. „Billig ist das Bad nun wirklich nicht, aber man hat was fürs Geld“, bemerkt eine örtliche Zeitung einigermaßen zufrieden. In der Tat hatte das neue Freibad mit dem alten Neckarbad in Punkto Komfort und Badespaß nicht mehr viel gemein. Eine moderne Freizeitanlage mit „Mutter-Kind-Bereich“ und zahlreichen Spiel- und Sportmöglichkeiten war entstanden. „Längst ist ein Freibad keine Badeanstalt mehr“, stellte der Architekt Horst Haag bei der Eröffnung treffend fest. Und die Rottweiler waren jetzt nicht mehr auf „Bade-Asyl“ in den Nachbarstädten angewiesen. Zumal mit dem aquasol in den kommenden Jahren ein Freizeitbad entstehen sollte, das in der Region bis heute Seinesgleichen sucht.

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